Workaway – Le Porge

Ankunft bei meinem zweiten Workaway-Einsatz am Freitag, später Nachmittag. Ohne Googlemaps hätte ich das Anwesen nicht finden können. Weder komoot noch meine Offline-Karten von „Citymaps2go“ haben die Adresse gefunden. Es handelte sich um einen nichtasphaltierten Feldweg. Selbst als ich davor stand, sah ich eigentlich keinen Eingang zu einem Haus. Da war nur so ein großes Gebäude, das wie eine Scheune aussah. Die Tür stand offen und es war zu hören, dass jemand da war.

Eingang
Eingang

 

Jule, mit dem ich vorher Emails gewechselt hatte, begrüßte mich freundlich und führte mich herum. Zunächst um mir zu zeigen, wo ich übernachten könnte. Aus mehreren Möglichkeiten konnte ich mir etwas aussuchen. Es gab ein großes Zelt in dem mehrere Betten standen, sowie ein Sofa und ein Tisch. Sah eigentlich ganz gemütlich aus. Nur Strom gab es dort nicht.

Zelt für die Gäste
Zelt für die Gäste

Es gab noch einen Wohnwagen. Dort wohnte allerdings schon ein junges , japanisches Paar, das auch über Workaway hier war. Das habe ich allerdings erst am Vortag ihrer Abreise festgestellt. Vorher dachte ich, es wären Freunde von Miwa (der japanischen Frau von Jule) und hatte mich schon gewundert, dass die beiden auch die ganze Zeit am Arbeiten  sind. Im „Haus“ war ein Zimmer frei, in dem einer von Jules Brüder wohnt wenn er am Wochenende kommt. Dieses Wochenende sei aber nicht mit ihm zu rechnen. Für dieses Zimmer habe ich mich dann entschieden. Das Haus ist wie eine Lagerhalle, in der einzelne Bereiche abgetrennt sind. Es gibt eine Küche, ein Eßzimmer und drei abgetrennte Zimmer. In einem wohne ich jetzt, in dem anderen wohnt ein anderer Bruder und das dritte Zimmer ist noch in der Bauphase. Die Zimmer haben jeweils 2 Ebenen, die obere Ebene ist mit einer Leiter zu erreichen.

Der Rest des großen Raumes wird als Werkstatt und Aufbewahrungsort (viele Schränke) benutzt. Jule wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern (5 Monate und 2 Jahre) in einem eigenen Haus, das etwas weiter weg liegt von dem großen „Haus“. Dazwischen liegt ein großer Garten, in dem Jule versucht Gemüse anzubauen.

Garten mit Gewächshaus
Garten mit Gewächshaus
Gewächshaus mit Komposttonne
Gewächshaus mit Komposttonne

Hier ist der Boden allerdings sehr sandig. Ein Schwerpunkt liegt im Anbau von Tomaten. Es gibt sehr viele Pflanzen, aber nicht sehr viele Tomaten. Wenn ich da an die wenigen, aber ertragreichen Pflanzen meiner Schwägerin Ingrid denke, die sie vor vielen Jahren in ihrer alten Wohnung auf dem Balkon in großen Töpfen hatte, dann wundere ich mich über die geringen Erträge hier. Jeden Morgen und jeden Abend muss der Garten gewässert werden, was jeweils ca. 1 Stunde dauert. Das Wasser wird aus einem selbstgebohrten Brunnen mit einer Pumpe gefördert. Nach ca. 20 Minuten geht die Pumpe wegen Überhitzung ausser Betrieb, nach ca. 5 – 10 Minuten schaltet sie wieder an usw.. Dabei werden die Intervalle, in denen die Pumpe läuft, immer kürzer.

Ich würde natürlich lieber daran arbeiten, ein automatisches Bewässerungssystem zu planen, zu installieren und in Betrieb zu nehmen, statt zweimal am Tag soviel Zeit für das Wässern aufzuwenden.

Sehr lustig ist auch, dass es hier ein provisorisches Beleuchtungssystem gibt, das aus einer Baustellenleuchte mit einer Leistung von 500 W besteht. Dieses wird abends zur Beleuchtung des Eßplatzes und der Küche eingesetzt. Nach meinem Hinweis auf den hohen Energiebedarf dieser Lampe wird die Lampe jetzt abends kaum mehr angeschaltet, stattdessen gibt es Teelichter. Dabei hatte ich angeboten, ich könnte Kabel verlegen und 2 – 3 Lampen mit 2 Schaltern anschließen. Aber über solche Arbeiten, von denen es hier reichlich gäbe, will hier wohl gerade niemand nachdenken.

Stattdessen verbringe ich viel Zeit in der Küche und lerne viele neue Gerichte kennen. Dem Essen kommt hier eine sehr große Bedeutung zu und es wird z.T. sehr aufwändig gekocht. Falls ich während meiner Radtour abgenommen haben sollte, werde ich hier wohl wieder zunehmen. Allerdings ernähre ich mich hier auch viel besser, mit all dem frischem Obst und Gemüse.

Ich frage mich auch, wovon die Leute hier leben. Anton , der Bruder von Jule, ist der Einzige der arbeitet. Er hat einen Job in einem Supermarkt, allerdings nur in der Saison, das heißt im Juli und im August. Wenn er abends nach Hause kommt, bringt er immer große Mengen an Essen aus dem Supermarkt mit. Alles Sachen, die sonst weggeschmissen worden wären. Daraus lässt sich dann leckeres Essen machen. Zum Beispiel Obstsalat oder Bananenpfannkuchen.

Es ist für mich z.T. wie eine Zeitreise, zurück als ich auch noch so jung und idealistisch war. Heute merke ich, dass ich eher andere Formen gefunden habe einen möglichst nachhaltigen Lebensstil zu leben und das der Lebensstil, der hier gelebt wird, wohl nicht nur für mich wenig ansprechend ist. In vielerlei Hinsicht ist es einfach zu unkomfortabel. Andererseits könnte mit wenigen, auch nachhaltigeren Lösungen (erneuerbare Energien wie Solarthermie zum Erwärmen von Wasser bzw. PV-Anlagen für die Stromerzeugung (die z.T. vorhandenen PV-Anlagen sind noch nicht fertig gestellt)), der Komfort deutlich gesteigert werden. So ist der Standard hier sehr niedrig. Nach 4 Wochen zelten bin ich ja schon relativ anspruchslos geworden, aber auf dem Zeltplatz gab es immerhin warmes Wasser und die Toilette befand sich in akzeptabler Entfernung, und war auch im Dunkeln gut zu erreichen.

Das wirklich Positive hier sind die netten Menschen und die vielen Gespräche. Man verbringst sehr viel Zeit zusammen und meistens wird französisch gesprochen. Sehr nett ist auch Agnes, die Mutter von Anton und Jule. Sie lebt einige hundert Meter entfernt im Wald. Sie hat in Bordeaux, Paris und Moskau gelebt und vor 16 Jahren angefangen, sich ihr Haus zu bauen und dafür zunächst die entsprechenden Flächen gerodet. In diesem August sei das erste Mal gewesen, dass sie im August Ferien gemacht hätte. Sie erzählte mir auch, dass die Familie hier schon seit dem 16. Jahrhundert lebt. Sie sammelt Pflanzen, mit denen sich Stoffe färben lassen. An einem Nachmittag haben wir bei ihr mit Indigo gefärbt.

Andererseits gefällt es mir nicht, dass die „Arbeitszeiten“ nicht geregelt sind. Alle sind hier immer irgendwas am ‚Machen‘, da möchte man auch nicht faul in der Ecke sitze. So bleibt die ständige (gefühlte) Verpflichtung, etwas tun zu müssen. Trotzdem bleibt auch viel freie Zeit, in der ausgedehnten Mittagsruhe (die ganze Zeit, die ich hier war, war es sehr heiß, bis auf den ersten Tag, da hat es geregnet). Bei meinem nächsten Workaway-Aufenthalt werde ich genauer hingucken, um welche Art von Arbeit bzw. Familie bzw. Projekt es sich genau handelt und werde versuchen, einen Austausch über gegenseitige Erwartungen herbeizuführen, sowie klare Absprachen und Vereinbarungen zu treffen.

Das Anwesen liegt sehr abgelegen und zum nächsten Ort sind es ca. 6 – 8 km. Dasa Meer ist auch nicht sehr weit. Trotzdem war ich erst heute (nachdem ich schon 6 Tage hier bin) das erste Mal dort. Ein wunderschöner fast menschenleerer Strand. Jule und Anton sind Surfen gegangen und haben mich mitgenommen (auf Nachfrage).

Die beiden Brüder auf dem Weg zum Surfen
Die beiden Brüder auf dem Weg zum Surfen
hohe Dünen zwischen Pinienwald und Strand
hohe Dünen zwischen Pinienwald und Strand
toller Strand, fast menschenleer
toller Strand, fast menschenleer

Morgen werde ich weiterfahren, erstmal weiter an der Küste entlang, danach wahrscheinlich nach Bordeaux. Ich freue mich darauf, wieder Rad zu fahren und mich frei zu fühlen.

8 Gedanken zu „Workaway – Le Porge“

  1. hallo Betti,
    das erinnert mich an unsere Renovierungsaktionen in der Mariannenstraße. Ich kann verstehen, dass es schwierig für Dich ist, das alles so stehen zu lassen (hat sicher etwas mit der deutschen Mentalität zu tun). Die Leute wurschteln rum und es verbessert sich nichts.
    liebe Grüße
    Jutta

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    • Ja das stimmt, damals haben wir das auch irgendwie gemacht. Es könnte auch sein, dass es ein Problem von Altersunterschieden und entsprechender Lebenserfahrung ist.

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  2. Cool Jutta, wurschteln rum, stimmt. Aber, trotz Lebenserfahrung und Alterunterschieden, wurschteln wir weniger? Weiss nicht. Zurückzutreten und sich selbst selbstkritisch und -ironisch anzusehen – mühsam aber / und notwendig. Aber beim näxsten Workaway wird ja alles anders, weniger Gewurschtel!?

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  3. Hallo Jutta!!! Betti und Wolfi,
    doch wir haben auch gewurschtelt und ausprobiert und geredet und überhaupt viel Zeit gehabt um ein Wurschtelleben zu führen, trotz Studium und Erwerbsarbeit. Und Personen wie Betti haben ein wenig mehr, zielgerichteter Gewurschtellebt und andere dabei mitgezogen. Ja, wir kommen aus einer sehr Arbeits- und Zielorientierten Gesellschaft.
    Aber sollte sich spätestens dann wieder ändern wenn wir in Rente gehen. Und am Besten jetzt schon anfangen…
    Ich grüße euch alle und noch einen schönen ruhigen Wurschtelsonntag Andrea

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  4. Hallo Bettina, nachdem ich mich schon lange mal hatte melden wollen, habe ich es nun endlich mal geschafft, zu schauen, wie es dir bisher so ergangen ist! Toll, dass du inzwischen am Meer bist… ich wünsche dir fürs weitere Workawayen alles Gute und freue mich auf viele spannende Berichte hier – ganz liebe Grüsse von allen hier 🙂

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  5. Ich höre gestern von meiner Mutter, sie hat sich von meiner Schwester Edel(gard) den Blog in Teilen vorlesen lassen (damits schneller geht, die Augen machen nicht mehr so mit…), dass sie für „Rumgeworschtels“ vollstes Verständnis hat. Ist in Hackenheim und Gutenberg, oder umgekehrt, eine „Standardaktivtiät“ (gewesen?).

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