Altstadt von Jerusalem

Am Vormittag des 29. Oktober 2014 wurden wir von der Pfarrerin Frau Ulrike Wohlrab durch die Altstadt von Jerusalem geführt. Sie leitet zusammen mit ihrem Mann das Evangelische Pilger- und Begegnungszentrum der Kaiserin Auguste Victoria-Stiftung mit der Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg und lebt seit 2008 in Jerusalem.

Wir treffen uns am Damaskus Tor, das einen von acht Zugängen in die Altstadt von Jerusalem darstellt. Noch heute ist die Altstadt vollständig von einer gewaltigen Stadtmauer eingefasst.  Auch von Frau Wohlrabe  erhalten wir einen kurzen geschichtlichen Rückblick, diesmal mit religiösem Schwerpunkt: Im Jahre 70 haben die Römer den jüdischen Tempel zerstört, im Jahre 325 als Jerusalem unter byzantinischer Herrschaft stand, wurde die Grabeskirche errichtet. Im Jahre 638 haben die Muslime an der Stelle, an der der Tempel Salomons stand, den Felsendom und die Al-Aksa Moschee gebaut, von dort soll der Legende nach Mohammed zum Himmel gefahren sein. Zwischen 1948 und 1969 hatte Jordanien die Herrschaft über Ost-Jerusalem, dessen Grenze damals das Damaskus-Gate war. Die Altstadt wurde 1917 von den Engländern in vier Viertel aufgeteilt, so gestaltete sich für die Engländer die Verwaltung einfacher. Noch heute gibt es das jüdische, das christliche, das armenische und das arabische  Viertel. Von diesen Vierteln war allerdings nur das jüdische Viertel ein rein jüdisches Viertel.

Frau Wohlrabe weist darauf hin, dass es über die Geschichte Israels und Palästinas zwei Narrative der gleichen Geschichte gibt und nennt dafür folgendes Beispiel: Für die Israels ist 1948 das Jahr der Staatsgründung und wird entsprechend gefeiert. Für die Palästinenser fand 1948 die Nakba (die große Katastrophe) statt, also die Vertreibung der Palästinenser aus den Gebieten, die jetzt zu Israel gehören. Sie weist darauf hin, dass man in Jerusalem sehr genau auf die  Wortwahl achten muss, da damit die jeweils unterschiedlichen Geschichten fortgeschrieben werden. so ist z.B. das Wort „Tempelberg“ für den Ort an dem heute der Felsendom und die Al-Aksa Moschee steht, politisch nicht korrekt, weil es einseitig an die jüdische Geschichtsschreibung anknüpft. Trotzdem wird dieser Begriff heute überall verwendet. Eine Bestätigung dieser Aussage findet sich in dem unten angezeigten Tweet.

Jerusalem liegt heute 10 bis 15 m höher als zur Zeit Jesu, was daran liegt, das Jerusalem im Laufe seiner langen Geschichte mehrfach zerstört wurde, und die neuen Herrscher jeweils auf den Ruinen neue Bauwerke errichtet haben, zum Beispiel nach der Eroberung durch die Perser im Jahre 614.  Jerusalem ist  auch häufig von Erdbeben zerstört worden, das letzte Erdbeben fand im Jahr 1927 statt.

In der Altstadt befindet sich die berühmte Via Dolorosa, eine Altstadtgasse, in der die 14 Stationen den Leidensweg Jesu nachempfunden werden können. Sie wurde aber erst im Mittelalter angelegt, und stellt nicht den Weg dar, den Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung gegangen ist.

Die Grabeskirche ist umgeben von vielen Hospizen und Kirchen, die von Gemeinden aus verschiedenen Ländern betrieben werden. Eines des bekanntesten ist das österreichische Hospiz, das heute Zimmer an Reisende vermietet und ein herrliches österreichisches Café betreibt, in dem es auch Sachertorte gibt. Was sich hinter diesen Toren und Mauern verbirgt, bleibt uns leider verschlossen.

In  Jerusalem ist es wichtig, Flagge zu zeigen, nicht nur im wörtlichen Sinne, sondern auch im übertragenen Sinne, wie es z.B. im Kleidungsstil der Frauen erkennbar sei. So sieht man zunehmend verschleierte muslimische Frauen, aber auch viele jüdischen Frauen grenzen sich von westlich gekleideten Frauen durch einen entsprechenden Kleidungsstil ab. Diese Abgrenzung von einander führt dabei zu einer stärkeren Identifikation mit der eigenen Religionsgemeinschaft. In der Betonung des Religiösen unterscheidet sich Jerusalem ganz wesentlich von Tel Aviv.

Die Grabes bzw. Auferstehungskirche

Altstadt-J-Grabeskirche

Der Ort an dem heute die Grabeskirche steht, befand sich früher außerhalb der Stadtmauer und war ein abgebauter Steinbruch. Die Kirche überbaut den Hügel Golgatha, der die Form eines Schädels hatte, und ein Ort für Kreuzigungen war. Man vermutet, das auch Jesus hier gekreuzigt wurde, aus diesem Grund zählt die Kirche heute zu einem der wichtigsten christlichen Heiligtümer. Frau Wohlrabe hat diese Vermutung etwas relativiert, indem sie sagte: „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es hier hätte sein können“.

Heute wird die Kirche von 6 christlichen Religionsgemeinschaften genutzt, dabei gab und gibt es immer wieder Auseinandersetzungen um die Nutzungsrechte, insbesondere an den christlichen Feiertagen. Jede Gruppe hat ihren eigenen Bereich und ihre eigenen Zeiten, an denen sie die Kirche nutzen darf. Seit dem Jahr 1852 wird der Status quo durch ein Dekret des osmanischen Reiches festgeschrieben. Trotzdem kommt es auch heute noch zu ständigen Auseinandersetzungen, was sehr anschaulich in diesem Artikel beschrieben wird.

Nach einem Spaziergang durch die Altstadtgassen und einem Aufstieg über enge Treppen, befinden wir uns auf dem Dach eines christlichen Zentrums, von dem wir einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt haben.

Wir setzen unseren Rundgang fort, um einige archäologische Ausgrabungen anzusehen. Auf dem linken Bild sieht man die Überreste einer römischen Marktstraße. Rechts und links von den Säulen haben sich die Marktstände befunden. Die Steine auf dem rechten Bild stellen die Reste einer Stadtmauer aus dem 8. Jahrhundert vor Christus dar. Hier kann man gut sehen, wie viel tiefer sich die Stadt damals lag.

Wir gehen weiter zur sogenannten Klagemauer, hier klagen die Juden über den Verlust des Tempels. Auch an der Klagemauer haben sich die Regelungen verschärft. Heute beten Frauen und Männer in getrennten Bereichen und es gibt eine Kleiderkontrolle. Die Klagemauer stellt die westliche Befestigungsmauer dar, die gebaut wurde, um die riesige Fläche, die eine Größe von 12 Fußballfeldern hat, abzustützen. Dort befindet sich heute  der Felsendom und die Al-Aksa Moschee. Diese Bauwerke sind für die Muslime neben den Bauwerken in Mekka so wichtig, dass sie früher in Richtung Jerusalem gebetet haben.

Hier verabschieden wir uns von Frau Wohlrab, um Silwan zu besuchen, das in unmittelbarer Nähe liegt, dabei kommen wir auch an der Ausgrabungsstätte zur sogenannten Davidstadt vorbei.

 Internet-Links

Eine anschauliche Schilderung der Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen christlichen Glaubensrichtungen um die Nutzung der Grabeskirche findet sich in diesem Artikel

Wikipedia Artikel über die Grabeskirche

Buchempfehlungen

Simon Sebag Montefiore: Jerusalem – Die Biografie , Fischer Verlag

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