Am Morgen des 27.10.2014 informierten wir uns über Umweltschutzprojekte in Palästina. Wir fuhren zu der Schule Talitha Kumi in Beit Jala, deren Träger eine christliche, deutsche Institution ist. Auf dem Campus der Schule ist das Zentrum für Umwelterziehung EEC (Environmental Education Center) angesiedelt, das Teil des Netzwerkes Nepto ist, in dem sich 18 Organisationen aus dem Bereich des nachhaltigen Tourismus‘ zusammenge-schlossen haben. Wir werden von Simon Awad, dem Leiter des Zentrums, empfangen und erfahren mehr über die einzelnen Projekte des Zentrums für Umwelterziehung.
Das Gelände liegt etwas erhöht auf einem Hügel, so dass wir von hier aus einen guten Ausblick in die Umgebung hatten. Auch hier sahen wir wieder die allgegenwärtige Mauer. Im Vordergrund ist die Verbindungsstraße von Jerusalem nach Hebron (Route 60) zu sehen, die inzwischen ausschließlich von jüdischen Siedlern und Israelis benutzt werden darf. Für unseren Führer vom EEC ist die Mauer wie eine Schlange, die sich immer weiter in das Land hineinfrisst, und sich dabei immer mehr Land einverleibt. Der Bau von jüdischen Siedlungen und der entsprechenden Straßen, die diese Siedlungen untereinander bzw. mit Israel verbinden, führt dazu, dass es für die Palästinenser immer schwieriger wird, sich von einem Ort zu einem anderen zu bewegen. Immer wieder müssen Checkpoints passiert werden. Manche Arbeiter, deren Arbeit um 6 oder 7 Uhr beginnt, müssen ab 3 Uhr nachts vor dem Checkpoint verharren, um morgens pünktlich bei der Arbeit sein. Eine Fahrt in das nicht weit entfernte Ramallah kann bis zu 14 Stunden dauern, weil der direkte Weg dorthin von den Palästinensern nicht genommen werden kann.
Nach diesem politischen Exkurs lernen wir die verschiedenen Projekte kennen, z.B. das Anpflanzen von medizinischen Heilkräutern.
Oder ein Abwasserprojekt, dessen Ziel es ist, die begrenzte Ressource Wasser besser zu nutzen. Abwässer aus Spüle oder Dusche (Grauwasser) werden in einem Tank gesammelt (grüner Tank auf dem Dach des Gebäudes) um dann für die Toilettenspülung verwendet zu werden. Da die Wasserversorgung hier ein großes Problem darstellt, können mit solchen einfachen Massnahmen schon Verbesserungen erreicht werden.
Ein dritter wichtiger Bereich ist die Vogelbeobachtung und die Erfassung von Vögeln. Hier erfahren wir viele Details zu den verschiedenen Vögeln, die hier erfasst werden. Durch die Kennzeichnung können die Wege der einzelnen Vögel nachvollzogen werden, so haben die Forscher z.B. eine Rückmeldung aus Polen bekommen, dass ein bestimmter Vogel dort angekommen ist.
Die Vögel, die in Palästina zu finden sind, werden von den Forschern in fünf verschiedene Kategorien eingeteilt: Die Vögel der ersten Kategorie erreichen Palästina im Herbst und überwintern hier, z.B. der Buchfink. Die Vögel werden hier gewogen, es wird ihre Muskelmasse auf einer Skala von 1 – 3 und ihr Fettanteil auf einer Skala von 1 – 8 festgehalten. Mit diesen Werten kann abgeschätzt werden, ob ihr körperliche Verfassung ausreichend ist, um den Rückflug nach Europa zu schaffen. Der zweiten Kategorie gehören die in der Region beheimateten Vögel an, der dritten Kategorie Vögel, die nur zu bestimmten Jahreszeiten in der Region zu finden sind, der vierten Kategorie Vögel, die nur im Sommer da sind und der fünften Kategorie gehören Vögel an, die nur alle 5 – 10 Jahre in die Region kommen, diese sind nicht-seßhafte, umherziehende Vögel.
Das EEC setzt sich auch gegen das Fangen und Töten der Vögel ein. Um die Vögel zu fangen werden häufig große Netze verwendet. Aber auch Kinder töten einzelne Vögel wenn diese in den Bäumen sitzen, die immer wieder von ihnen angeflogen werden. Von den Kindern werden die Vögel verkauft, und stellen damit eine Einnahmequelle dar. Das Fett der Vögel kann als Brennstoff verwendet werden.
Ein andere Aktivität ist das Freilassen von Vögeln. Wir hören, das am morgigen Tag eine große Aktion geplant ist, und ein Uhu, der bisher in einem Käfig in einem Privathaus gelebt hat, freigelassen werden soll. Uhus spielen eine wichtige Rolle im ökologischen Gleichgewicht weil sie sich von Schädlingen wie Mäusen und Ratten ernähren. Leider werden sie aufgrund von alten Traditionen und Aberglauben oft getötet oder gefangen, sie sollen Unglück bringen. Mit dieser öffentlichkeitswirksamen Aktion möchte man das Ansehen dieser Vögel verbessern und erreichen, das sie mit Respekt und Bewunderung behandelt werden.
Die Aufforstung und das Anpflanzen einheimischer Baumarten ist ein weiterer Arbeitsschwerpunkt. Früher war Palästina sehr bewaldet, leider ist davon in der Zeit des osmanischen Reiches viel abgeholzt worden. In den 1920er Jahren haben die Engländer Pinien und Eukalyptusbäume gepflanzt. Die Eukalyptusbäume haben lange Wurzeln und benötigen viel Wasser, von dem es in Palästina nicht viel gibt.
Auch die Pinien sind problematisch, weil die abgefallenen Nadeln am Boden eine undurchlässige Schicht bilden, so dass keine anderen Pflanzen dort wachsen können. Einen einheimischen Baum stellt die sog. Jerusalem Pinie dar, der jetzt vermehrt angepflanzt werden soll. Ziel ist es, ein grünes Palästina mit einheimischen Pflanzen zu schaffen.
Nachdem wir die Außenanlagen kennengelernt haben, gehen wir in eines der Gebäude. Zunächst in einen kleinen Unterrichtsraum, mit hunderten von ausgestopften Vögeln und anderen Tieren. Dabei ist es interessant zu erfahren, das es zwischen Israelis und Palästinensern auch Probleme mit den lateinischen Bezeichnungen für Tiere und Pflanzen gibt.
In Palästina gibt es eine hohe Biodiversität mit 2.500 Pflanzen, 500 Vögeln und 30.000 Insekten.
Außerhalb des Unterrichtsraumes, in einem langen Gang, haben wir eine Ausstellung besucht, die auf Schautafeln über die verschiedenen Pflanzen und ihre Lebensräume informiert.
Wir waren damit am Ende der offiziellen Führung und im Anschluss ergab sich noch ein Gespräch über die schwierige politische Situation. Zunächst blieben wir noch beim Thema Umweltschutz. Wir hörten von Abwasserproblemen, und dass Israel den Bau einer Abwasseranlage durch die GIZ abgelehnt hatte. Ausserdem über die Auswirkungen der 8 m hohen Sperrmauer auf das Tier- und Pflanzenleben gesprochen, bspw. sind Pflanzen und Tiere genetisch isoliert werden. In der Zeitschrift einer christlichen, ökumenischen Organisation gibt es dazu sehr detaillierte Informationen (ab Seite 18 ist ein Artikel von Simon Awad). Schnell mündete das Gespräch aber in die Darstellung der politischen Situation, die mit einem historischen Abriss, wie wir inzwischen schon viele gehört hatten, begann und mit einem pessimistischen Ausblick endete. Auch mit Simon Awad begegnet uns wieder ein Mensch, der einfach nur in Frieden leben möchte, der keinen Hass auf Israelis hat, aber nicht länger unter der israelischen Besetzung leben möchte, weil diese ein normales Leben unmöglich macht. Er hat wenig Hoffnung für die Zukunft, da der keinen Friedensprozess ins Stocken geraten und keine Lösung in Sicht ist. Die angedachte Zwei-Staaten-Lösung wird durch den andauernden Siedlungsbau praktisch unmöglich gemacht. Er hat den Eindruck, die Israelis treiben die Ein-Staaten-Lösung voran, die für Israel bedeutet, dass dieser Staat ein jüdischer Staat wäre.
Internetlinks
Artikel über Pflanzaktion
Veröffentlichungen von Simon Awad
Sehr interessanter Artikel. Hoffe Sie veröffentlichen in regelmäßigen Abständen solche Artikel dann haben Sie eine Stammleserin gewonnen. Vielen dank für die Informationen.
Gruß Anna